RSS Feed RSS-Feed - alle Pearl Jam Infos frei Haus! Was'n das?

del.icio.usdigg.comgoogle.comlive.comMister Wongstumbleupon.comLinkaARENA

Temple Of The Dog

Requiem für einen Freund

Völlig unvorbereitet schlug es bei uns ein, das gleichnamig betitelte TEMPLE OF THE DOG- Debut. Ratlosigkeit machte sich breit in der Redaktion. Kein Info, kein näherer Hinweis auf die Ursprünge der Band, nur ein aus Amerika stammendes Advance-Tape mit 10 brillanten, bluesigen Songs. Ein Album voller Emotionen, ein Album voller Intensität. Aber wer oder was ist dafür verantwortlich?

Wenige Tage später lüftete Polydor, in Deutschland verantwortlich für die Band, das Rätsel: Temple Of The Dog sind ein einmaliges Projekt, ein Zusammenschluß von Soundgarden und ehemaligen Mother Love Bone- Musikern, die diese Songs zu Ehren ihres verstorbenen Freundes und Mitstreiters Andrew Wood eingespielt haben. Punkt. Aus. Schluß. Mehr war nicht in Erfahrung zu bringen. Lediglich, daß die Band nicht gewillt sei, irgendwelche Interviews zu geben, wurde uns mitgeteilt. Frust machte sich breit. Aber nicht lange, Tage später klappte es dann doch: Jeff Ament, wurde von uns in Kalifornien erwischt.

Und überraschte uns erneut. Nach der Ansage "keine Interviews" hatten wir mit einem egozentrischen, vielleicht sogar "abgehobenen" Gesprächspartner gerechnet, aber nichts von beidem trat ein. Jeff Ament entpuppte sich im Verlauf des etwa einstündigen Gesprächs als überaus angenehmer, fast schüchterner Zeitgenosse, der dann auch umgehend begründete, warum man anfangs von der Aussicht auf anstehende Interviews nicht besonders begeistert war. "Temple Of The Dog ist ein einmaliges Projekt, wir haben nur eine Platte in dieser Formation zusammen eingespielt und werden unsere eigenen Bands auf jeden Fall die Treue halten. Wahrscheinlich wurden die stattfindenden Interviews von unserer Plattenfirma nur angesetzt, um uns die Chance zu geben, jedermann zu erklären, wo unsere zukünftigen musikalischen Prioritäten liegen."

Nichtsdestotrotz lassen A&M- Records der Band die notwendige Unterstützung zuteil werden."Plushin' Forward Back" wurde als Single ausgekoppelt, und zu dem Song "Hunger Strike" hat man ein Video abgedreht. Laut Jeff werden in diesem Clip die Lyrics visuell umgesetzt, man kann sich also auf eingestreute, spielfilmartige Sequenzen einrichten. So stellt sich also die momentane Situation dar; um jedoch den eigentlichen Sinn hinter dem Temple Of The Dog- Projekt zu verstehen, ist es notwendig, die bisherigen einzelnen Musiker etwas näher zu beleuchten. Blenden wir also zurück in die Zeit , als Jeff Ament (b.) und Stone Gossard (git.) bei Green River aktiv waren. Befreundet war man schon damals mit den Soundgarden- Musikern Matt Cameron (dr.) und Chris Cornell (voc.) und lernte über letzteren Andrew Wood kennen. Wood, der mit Chris Cornell zusammenwohnte, gründete nach dem Auseinanderbrechen von Green River zusammen mit Ament und Gossard Mother Love Bone und übernahm in dieser Combo die Rolle des Sängers. Eitel Sonnenschein also, Mother Love Bone nahmen ein Album für A&M- Records auf, doch dann kam der Rückschlag - Wood starb an einer Überdosis Heroin kurz bevor das Debut- Album der Band den Weg in die Plattenläden finden sollte. Auf Sonnenschein folgte bodenlose Trauer, Verzweiflung, Frust. Jeff erinnert sich - immer noch merklich berührt - an das Gefühlschaos, in das Woods Tod stürzte und beginnt zu erzählen.

"Es war wie ein Alptraum. Ich war verwirrt, konnte es nicht verwinden, wußte nicht, wer mir aus diesem Schmerz heraushelfen sollte. Andrew und ich waren schon seit Jahren die besten Freunde, er wohnte nur etwa drei Häuserblocks von mir entfernt, wir gingen zusammen zu Basketball- Spielen, telefonierten jeden Tag miteinander oder trafen uns, um Musik zu machen - und dann das. (Pause) Sicher, ich wußte, daß er ziemliche Drogenprobleme hatte, aber sein Tod kam einfach zu plötzlich, zu unvorbereitet..."

Jeff Ament und Stone Gossard war klar, daß Mother Love Bone sich auflösen mußten, an Touren oder das Suchen nach ein potentiellen Wood- Nachfolger war bei der damaligen Gemütsverfassung der beiden eh nicht zu denken. Man ergab sich seinem Schmerz, lebte in den Tag hinein und war nicht in der Lage, neue Songs zu schreiben, bis eines Tages Chris Cornell die beiden besuchte und ihnen vorschlug, Andrew Wood zu Ehren zwei Songs einzuspielen. "Say Hello 2 Heaven" und "Reach Down" hatte er geschrieben und auf diese Weise versucht, über den Tod eines guten Freundes hinwegzukommen. Zusammen mit dem Soundgarden- Drummer Matt Cameron schlossen sich Cornell, Ament und Gossard im Proberaum ein, sicherten sich noch Unterstützung des extrem Blues- beeinflußten Gitarristen Mike McCready und gingen daran, mit Hilfe der Musik gemeinsame Erinnerung zu dokumentieren. Nichtmal im Traum habe man daran gedacht, diese Nummern jemals zu veröffentlichen, so Ament: "Zum damaligen Zeitpunkt war das Beste was uns passieren konnte, zusammen Songs zu schreiben, denn so waren wir in der Lage, uns gegenseitig Halt zu geben, anstatt vor Selbstmitleid zu zerbrechen. Aus den zwei Songs, die Chris geschrieben hatte, wurden plötzlich acht, dann zehn. Wir genossen die gemeinsame Arbeit und gewannen unseren Lebensmut wieder. Zum Schluß spielten wir noch einige Live- Shows und entschieden uns dann, ein Album zu veröffentlichen, zumal A&M- Records Gefallen an dem Material gefunden hatte."

In den London Bridge Studios (Seattle) ging man dann - völlig unbelastet und frei von einer übergroßen Erwartungshaltung der Öffentlichkeit - daran, den Komposition den letzten Schliff zu verpassen. Temple Of The Dog spielten das Album ohne großen Produktionsaufwand ein, die Aufnahmen gestalteten sich teilweise mehr als Jamsession denn als bierernste Arbeit, wie Ament anmerkt.

Eine Vorgehensweise, die besonders bei dem Song "Reach Down", der mit einer Spielzeit von gut 11 Minuten Überlänge aufweist, zum Tragen kommt. Ein Stück, das auf lediglich zwei Grundriffs basiert, trotz - oder gerade wegen - seiner Einfachheit jedoch eine schier unglaubliche Intensität entwickelt. Doch auch die Texte, extrem symbolisch gehalten, verdienen es, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden. Zumindest mich haben die Lyrics zu "Say Hello 2 Heaven", "Time Of Trouble" und "All Night Thing" berührt. Was liegt da näher, als sich von Jeff einige Hintergrundinformationen bezüglich dieser Texte geben zu lassen? Mr. Ament setzt dann auch umgehend zur Erklärung an.

"Die Lyrics aller Songs sind von Chris bewußt symbolisch gehalten worden, denn die Scheibe ist als Reminiszens an unseren verstorbenen Freund zu verstehen, und wir haben aufgrunddessen eine Menge gemeinsamer Erinnerungen verarbeitet. Wären wir nach der Holzhammer- Methode vorgegangen, d.h. hätten wir die Dinge immer beim Namen genannt, wäre die Gefahr, daß die Songs zu klischeehaft ausfallen, allgegenwärtig gewesen. Das galt es aber unter allen Umständen zu vermeiden, denn ansonsten hätten uns Kritiker bestimmt vorgeworfen, unsere Trauer als billigen Promotiongag zu verwenden! "Say Hello 2 Heaven" ist ein gutes Beispiel - der Song enthält eine Unmenge Hinweise auf Andrews Leben, die allerdings nur für uns verständlich sind. So nah wie bei "All Night Thing" ist Chris wohl einem Liebeslied noch nie gekommen, und "Times Of Trouble" kann man als Statement gegen Drogenmißbrauch ansehen. Ich habe eine Menge Freunde durch Drogen verloren und mir natürlich meine Gedanken darüber gemacht, wo die Ursachen dieses Phänomens liegen. Letzten Endes bin ich zu dem Schluß gekommen, daß ich bis zum heutigen Tage wohl eine Menge Glück gehabt habe, denn ich wuchs wohlbehütet auf, meine Eltern kümmerten sich um mich, und ich hatte immer Freunde, die zu mir hielten. Bei vielen meiner Bekannten ist das nicht der Fall - sie fühlen sich isoliert und nicht verstanden, versuchen also mit Drogen, der Realität zu entfliehen. "Times Of Trouble" ist übrigens einer der letzten Songs, die Mother Love Bone geschrieben hatten; der Titel stammt noch von Andrew, und Chris hat die passenden Lyrics zu der Musik geschrieben."

Andrew Wood ist trotz seines Todes noch allgegenwärtig, sei es, daß Begebenheiten seines Lebens in den Texten verarbeitet werden oder daß die von ihm geschriebenen Songs doch noch zu Vinylehren kamen. Auch für den Namen des Projekts, Temple Of The Dog, war er verantwortlich.

Unser Gesprächspartner erklärt:
"Andrew hatte mal einen Song geschrieben, in dem eine Zeile "livin' in the temple of the dog" lautete. Da sich die Formulierung gut anhörte, haben wir uns dazu entschlossen - quasi als Referenz an ihn - diesen Namen zu benutzen." Als Referenz an Andrew Wood sind auch die abgedruckten Sleevenotes sowie das ebenfalls von Ament kreierte Backcover zu sehen. Eine Passage wie "We Ate Huge Carcass- Less Me- als With Cyclops And Drank With Septiem +The Ohter Gods" macht erst Sinn wenn Jeff erklärt, daß es sich hierbei um Insiderwitze handelt, das 'Cyclops' ein Restaurant für Vegetarier und das 'Septiems' eine nahe dem Proberaum gelegene Bar ist, in der man sich nach getaner Arbeit gerne einige Bierchen gönnte. Und der "Teppich" auf dem Backcover?
"Ist ein gefärbter Sand, auf dem ich mehrere kleine Lehmfiguren, die symbolisch für Begebenheiten in Andrews Leben stehen, angeordnet habe."

Aber das Leben geht weiter. Jeff und Stone haben inzwischen eine neue Band namens Pearl Jam gegründet und werden unter anderem von Sänger Eddie Vedder, der auch auf dem Temple Of The Dog- Album mitwirkte, unterstützt. Vedder, der die zweite Strophe von "Hunger Strike" einsang und noch einige Backgroundvocals beisteuerte, soll den Stil der Band um einiges dunkler und ernster gestalten als zu Mother Love Bone- Zeiten: Sicher, eine gewisse Ähnlichkeit zu Mother Love Bone wird immer vorhanden sein", so Ament, "aber Eddie bringt eine Menge neuer Einflüsse in unser Material ein. Er steht ziemlich auf Folk- und Blues- Musik, und das wird man auf unseren Debut natürlich heraushören."

Temple Of The Dog gehören also wieder der Vergangenheit an - schade. Die Soundgarden- Musiker werkeln momentan in San Francisco an ihrem neuesten Studio- Album; Pearl Jam, die am Anfang ihrer Karriere noch unter dem Joke Namen Mookie Blaylock firmierten, um so die Chance zu bekommen, live auftreten zu können, werden im Juli über Epic ihre erste LP veröffentlichen. Und dann? Sollte das nach all den freundschaftlichen Banden zwischen Soundgarden und Pearl Jam tatsächlich die letzte Zusammenarbeit gewesen sein? Schwer zu glauben, wenn man weiß, daß sich die Seattle Szene untereinander bestens versteht und Deese in Erfahrung bringen konnte, daß Musiker von Soundgarden, Mudhoney und Alice In Chains an einem Projekt names Alice Mudgarden arbeiten. Was für ein Wirrwarr! Ament lacht, als wir ihn mit dieser Frage konfrontieren, kann aber auch noch keine genauen Angaben machen:
"Ich will's mal vorsichtig ausdrücken - ausgeschlossen ist eine weitere Zusammenarbeit natürlich nicht, aber Temple Of The Dog haben sich definitiv aufgelöst, ein Nachfolge_ Album wird es nicht geben. Ansonsten.... naja, man kann nie wissen. Ich spiele jedenfalls gerne mit vielen verschiedenen Musikern zusammen, denn auf diese Art lerne ich immer dazu und beziehe aus diesen Projekten eine Menge eigener Ideen. Mit Chris und Matt von Soundgarden zusammenzuarbeiten, hatte ich mir eh immer gewünscht, denn es macht einfach Spaß, mit guten Freunden Songs zu schreiben."

So einfach ist das also. Abnutzungserscheinungen oder Kreativitätsverluste aufgrund übermäßigen Arbeitsanfalls scheint Mr. Ament nicht zu befürchten. Welche Erklärung hat er aber für die Tatsache, daß der "typische" Seattle- Sound heute so populär ist? Sicher die Collage- Radio- Stationen haben Bands wie TAD, Nirvana, Modhonay, Soundgarden oder Mother Love Bone gepusht, aber woher rührt das plötzliche Interesse der breiten Öffentlichkeit?

"Hm, schwierige Frage. Zumal wir bei unseren früheren, selbstorganisierten Tourneen mit Green River immer eine Menge Geld verloren haben. Denn genauen Grund für diesen Stimmungswechsel des Publikums kann ich auch nicht erkennen, aber ich glaube, daß die Leute nach all den Jahren, in denen sich eine Band anhört wie die andere, auf der Suche nach neuen Sounds sind und aus diesem Grunde ihr Interesse an der Seattle- Szene gefunden haben. Nachdem in der jüngsten Vergangenheit der Trend dahin ging, immer kompliziertere Songs zu schreiben und jede einzelne Note zu analysieren, ist es meines Erachtens nach heute so, daß ein echtes Bedürfnis nach emotionsgeladenen, intensiven Tracks bei den Fans vorhanden ist. Wahrscheinlich ist es das, was Seattle- Bands momentan so erfolgreich macht. Die Fans verstehen eben, daß hier Freunde zusammen Musik machen und nicht eine wahllos zusammengestellte Band, die lediglich auf schnellen Erfolg schielt."

Wahrscheinlich hat er mit dieser Behauptung recht, der gute Jeff,. Aber verlieren wir uns nicht in unnötigen Spekulationen, sondern hoffen wir, daß sich seine neue Band mal in Europa blicken läßt. Wäre doch 'ne prima Kombination, wenn Pearl Jam im Vorprogramm von Soundgarden die Clubs in unseren Breitengraden unsicher machen würden, oder? Vielleicht würde es auf diese Weise ja doch noch mal zu einer Temple Of The Dog- Session kommen...

Verfasser: Thomas Kupfer
Zeitschrift: Rock Hard Juni 1991
thx to Annette